Vom „Pütt“ zum „Jungbrunnen für die Bevölkerung“
Der Krähenteich war vor gut 125 Jahren „de Pütt“, wie die Menschen in Lübeck den Tümpel nannten. Er war nur etwa einen halben Meter tief. Das erste Mal wurde der Krähenteich als Badestelle in den Adressbüchern von 1834 erwähnt: „Eingefriedete Badeplätze an mehreren Stellen der Wakenitz zu kalten Flußbädern geeignet: vor dem Burgtor, im Krähenteich am Mühlenthor und in der Trave bei der Dankwärtsgrube - Pferdeschwemmen, die zugleich als Badeplätze zur öffentlichen Benutzung angewiesen“ waren. Der Platz am Krähenteich war „durch eine nahe Hecke geschützt, die Strömung daselbst ziemlich frisch“.
Die Menschen schwammen lieber in der Wakenitz oder in der Trave, wo es an den Ufern viele „Privatbadeanstalten“ gab. Als ab 1895 der Elbe-Trave-Kanal (erst ab 1936 hieß er Elbe-Lübeck-Kanal) gebaut wurde, fielen viele dieser Badestellen dem Bau zum Opfer. Das Schwimmen war zu gefährlich geworden, weil dort nun größere Schiffe verkehrten.
Den Stadtvätern, es saßen damals nur Männer im Senat, war das Problem durchaus bewusst. Schwimmen galt als der „Volksgesundheit zuträglich“ und diente nicht nur dem Vergnügen, sondern auch der Körperhygiene. Zwar wuchs die Zahl der Badezimmer in Deutschlands Haushalten kontinuierlich, trotzdem war ein Bad keine Selbstverständlichkeit.
1898 gab der Senat der Baudeputation deshalb den Auftrag, eine „Vorlage eines Projektes zur Erbauung einer Badeanstalt im Krähenteich“ zu erarbeiten. „De Pütt“ sollte ein Freibad werden. Für den Krähenteich sprachen „die günstige zentrale Lage dieses Gewässers“ und die frische Strömung. Denn „selbst in der trockensten Zeit durchfließen stündlich mindestens 1.100 Kubikmeter Wasser den Teich, wodurch eine ausgiebige Erneuerung desselben gewährleistet wird“, wie die Baudeputierten festhielten. Das Wasser strömte aus der Wakenitz und vom Ratzeburger See in den
„Pütt“.
Im Sommer 1899 wurde „mit der Ausbaggerung des Teiches begonnen und die Wassertiefe, die vorher nur 50 bis 60 cm betrug, auf durchweg 2,50 m, vor dem Platze der zukünftigen Badeanstalt auf 3,50 m gebracht.“ Von Dezember 1899 bis Mai 1900 wurde gebaggert, Sand aufgeschüttet, Pfähle in den Boden gerammt und gezimmert.
Am 20. Mai 1900 wurde „die städtische Doppelbadeanstalt im Krähenteich“ eröffnet.
„Doppelbadeanstalt“ - weil hier beide Geschlechter baden durften - getrennt durch ein „30 Meter langes“ und „ein Meter hohes Kreuzgitter“, was in der Zukunft noch zu Problemen führen sollte.
Lübeck hatte sich ein richtig schickes, modernes Freibad mitten in die Stadt gesetzt. Ein imposanter Holzbau mit Balkon, Treppen, kleinen Nebenhäusern, spitzen Dächern, der Mittelbau in dunkelrot gestrichen. „Eine Zierde der ganzen Gegend“, schwärmte die Presse und beschrieb die Konstruktion: „Das Badehaus ist auf einem Pfahlgerüst aus eichenen Rammpfählen, im ganzen 260 errichtet. Die Bassins für Nichtschimmer mit einer Wasserfläche von je 138 qm, welche von denen für Schwimmer, 150 qm Wasserfläche, durch einen Laufbalken getrennt sind … Die Länge der Schwimmbahn für Herren beträgt von der Anstalt aus genau 100 m und ist durch einen Grenzpfahl mit Ringen zum Ausruhen bezeichnet. Die Damen haben eine Schwimmbahn von 75 Metern Länge, ebenfalls durch einen Grenzpfahl
kenntlich gemacht … Die Anstalt enthält zwei Abteilungen, je eine für das männliche und das weibliche Geschlecht.“ Die Herren verfügten über „35 Einzelzellen“. Darüber hinaus gab es „63 Auskleideplätze für Knaben in offenen Hallen“. Dort standen „umlaufende Bänke“. Jedes Kind hatte „ein verschließbares Spind“. Es gab
„Spiegel und Stiefelknechte“. Die Damenabteilung hatte „41 Zellen und in der Halle
nochmal 10 offene Ankleideplätze mit Schränken“. Auch diese Zellen waren komfortabel ausgestattet, hatten eine „Bank, Wandbord, Kleiderriegel, Spiegel, Fußkorb und Stiefelknecht“ und waren „gut ventiliert“. Jede Abteilung hatte ein eigenes „Krankenzimmer. Es gab einen Geräteraum und ein Zimmer für den Bademeister bzw. die Bademeisterin.“
Im „Damenbade“ stand für Notfälle eine „elektrische Glockenanlage, um bei Unglücksfällen das Personal des Herrenbades herbeirufen zu können“. Im „Herrenbade“ hing ein „Telephonapparat“.
Für den Fall, dass das Bad zu voll war und die Gäste warten mussten, waren „Warteräume“ mit „Wiener Mobiliar“ eingerichtet worden, wo „Tageszeitungen, mehrere Illustrierte und die Schwimmer-Blätter“ auslagen. „Zwei Rettungsbote“ lagen am Ufer „vor der Anstalt zu etwaiger Hilfeleistung bereit.“
Ein Einzelbad mit Zelle kostete 20 Pfennige, ein Einzelbad mit offenem Ankleideplatz 10 Pfennige.
Badekleidung konnten sich die Gäste leihen, sie wurde sogar gewaschen: „Eine besondere Sorgfalt wird der Anstaltswäsche zugewandt, welche stets nach einmaliger Benutzung in der Dampfwäscherei der Armenanstalt gereinigt wird. Jeder Badegast erhält die Wäsche also in tadellos sauberem, frisch duftendem Zustande.“
Über 2.000 Badegäste pro Tag
Der Ansturm übertraf die kühnsten Erwartungen. Mit etwa 1.000 Badegästen pro Tag hatten die Baudeputierten gerechnet, nun kamen mitunter doppelt so viele Menschen pro Tag ins Bad. „An warmen Tagen hallte die Anstalt vom frühen Morgen bis zum späten Abend von der Fröhlichkeit der Badenden wieder, deren Zahl mitunter 2.000 überschritten hat“, schrieben die Lübeckischen Blätter. Die Presse war von Anfang an häufig zu Gast am Krähenteich und berichtete regelmäßig.
Nach der ersten Saison schwärmte die Lübecker Presse regelrecht: „Ein Jungbrunnen ist die schöne Badeanlage im verflossenen Sommer für unsere Bevölkerung gewesen.“ Die Begeisterung hielt sich auch in der zweiten Saison: „So hat denn in diesem Sommer der Verkehr nie geahnte Dimensionen angenommen, und besonders erfreulich ist es zu konstatieren, daß kein Unfall irgendwelcher Art verzeichnet zu werden braucht. An warmen Tagen hallte die Anstalt vom frühen Morgen bis zum späten Abend von der Fröhlichkeit der Badenden wieder, deren Zahl mitunter 2.000 überschritten hat.“ An anderer Stelle heißt es: An warmen Tagen „erwies sich die Anstalt als viel zu klein, - sind doch an einem Tage, am 6. August, 2590 Bäder genommen worden.“
165 Schulklassen kamen 1900 ins Bad. Im Jahr darauf zählte man 330 „Klassenbäder“. „Der Schwimmunterricht wird an Schwimmgalgen erteilt, von denen an den Seiten des tiefen Bassins je 4 Stück vorhanden sind.“ 198 Menschen lernten 1900 im Krähenteich schwimmen. 1901 waren es 200. Generationen von Lübeckern und Lübeckerinnen sollten in den nächsten 125 Jahren hier im Krähenteich schwimmen lernen. Waisenhauskinder lernen Schwimmen, ohne dafür zu zahlen.
Die Bilanz fiel durchweg positiv aus. 1900, im Gründungsjahr der Badeanstalt, wurden 66.517 Männer und 34.912 Frauen gezählt, die das Bad besuchten. Im Jahr darauf 1901 waren es 88.625 Männer und 52.108 Frauen. Wenn man bedenkt, dass in Lübeck damals knapp 83.000 Menschen lebten, kann man behaupten, dass es in Lübeck kaum einen Menschen gab, der damals nicht im Krähenteich schwimmen ging.
Das Bad nahm 1900 eine Summe von 13.155,60 Reichsmark ein. Im Jahr darauf stiegen die Einnahmen auf 16.384,65 Reichsmark. Schnell war die Rede davon, dass das Bad vergrößert werden sollte: „Die stattliche Badeanstalt im Krähenteich erfreut sich fortgesetzt derart starker Benutzung, daß eine Erweiterung zum nächsten Jahre nothwendig wird“, meldeten die Lübecker Nachrichten ein Jahr nach Eröffnung. „Es sollen bereits Verhandlungen in dieser Angelegenheit schweben.“ Der Staat, so fordert der Autor, solle die anderen Bäder nicht vernachlässigen. „Ganz Lübeck kann schließlich doch nicht im Krähenteich baden.“
Verstoß gegen die Badeordnung - 14 Tage Haft
Das Bad war damals noch in städtischer Hand. Deshalb erließ das Polizeiamt die Badeordnung. Verboten war es unter anderem „in der Badeanstalt oder im Wasser zu singen oder zu lärmen“. Ein No-Go war es, „sich auf die Grenzen zwischen der Männer- und der Frauenabteilung bildenden Balken respektive Gitter zu setzen.“
Kein Alkohol, keine Hunde - das galt schon damals. Nacktbaden war verboten. „Das Rauchen in allen Abteilungen ist untersagt.“ Und nicht nur das: „Betrunkenen oder Kranken, insbesondere mit ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten behafteten Personen und solchen in unreinlicher Kleidung ist die Benutzung der Anstalt untersagt.“ Wer gegen die Badeordnung verstieß, dem drohten empfindliche Strafen: „Zuwiderhandlungen gegen diese Badeordnung werden auf Grundlage § 366 des Strafgesetzbuches mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.“
Vor allem die Geschlechtertrennung führte immer wieder zu Problemen. Im Sommer 1901 beschloss das Finanzdepartment, „die Baudeputation zu ersuchen, in der städtischen Badeanstalt Krähenteich Vorkehrungen zu treffen, welche „ein Hineinschwimmen aus dem Herrenbassin in das Damenbassin“ unmöglich machten.
„Es ist nämlich Beschwerde darüber geführt, dass einzelne im Herrenbassin badende Personen unter dem Balkon hindurch an das Damenbassin geschwommen sind.“
Bei den Jugendlichen war das Bad so beliebt, dass sie viel zu lange blieben und offenbar nicht nur im Teich viel Spaß hatten. „Arger Mißbrauch ist im vorigen Jahre besonders seitens der Jugend in der Ueberschreitung der für die Dauer der Kabinenuntzung angesetzten Zeit von einer ¾ Stunde getrieben worden. Für dieses Jahr ist eine schärfere Kontrolle in Aussicht genommen. Den Brauseräumen wird eine bessere Beaufsichtigung … zu Theil werden, um einer zwecklosen Wasserverschwendung durch die Jugend vorzubeugen.“
Der Verleih von Badekleidung war beliebt und praktisch, führte aber zu Problemen. 250 Abonnenten liehen sich Badekleidung, die gewaschen und aufbewahrt wurde. Fast 300 Abonnenten waren es im Jahr 1901. Das lockte Diebe an und zwar obwohl der Bademeister mitunter in der Anstalt schlief, um Einbrecher abzuschrecken. Es wurde eigens ein Bett für ihn angeschafft. Trotzdem wurde geklaut, die Badekleidung nicht zurückgegeben. „Beim Abschluss der vorjährigen Badesaison hat sich herausgestellt, dass von dem Wäscheinventar der Badeanstalt Krähenteich, namentlich von den blauen Schwimmhosen, eine auffallende Zahl fehlte. Der Verdacht, dass eine Anzahl Hosen entwendet ist, dürfte nicht ganz unberechtigt erscheinen, um so mehr nicht, da man die Hosen der Badeanstalt Krähenteich in anderen Anstalten gesehen haben will. Das Polizeiamt ersuchen wir daher ergebenst, wenn möglich, in der diesjährigen Badesaison darauf achten zu wollen,
ob in den übrigen Badeanstalten blaue Schwimmhosen benutzt werden“, schrieb das Finanzdepartment im Februar 1901. Wie unnachgiebig in solchen Fällen ermittelt wurde, zeigt der Fall eines 14-jährigen Jungen: „Herr Konsul Scharff zeigt hierher an, dass der 14 jährige Schüler Jürgen B. sich eine der Badeanstalt Krähenteich gehörige Badehose angeeignet und benutzt habe. B. will die Hose von der Firma Müller gekauft haben. Diese Behauptung des B. ist jedoch durch bei der Firma gehaltene Nachfrage widerlegt. Derartige Hosen werden nur für die Badeanstalt Krähenteich verkauft. Trotz dieser Argumente leugnet B. Die Verfolgung dieser Angelegenheit wird zur Entscheidung der Behörde verstellt.“
Das Finanzdepartment beschloss, den Jungen „vorzuladen und ihn eventuell durch Ausschluss von der Benutzung der Badeanstalt Krähenteich oder durch einen Verweis zu bestrafen. Die Deputierten Tegtmeyer und Rabe übernahmen es, die Verhandlungen mit dem Knaben zu führen.“ Was wohl aus dem armen Jungen geworden ist?
Immer wieder gab es Beschwerden seitens des Freibades, dass der Wasserstand zu niedrig sei. Die Strömung wurde schon damals von der Stadt reguliert. Im Sommer 1901 beschwerte sich Bademeister Niebuhr über den niedrigen Pegel. Leute vom Katasteramt rückten an. Der Wasserstand war allerdings „2 cm über dem erlaubten
niedrigsten Wasserstand“, wie die Baudeputation penibel in ihrem Protokoll festhielt. Falscher Alarm, also.
Ein weiteres Problem: das Kraut im Wasser: „Besonders zwischen dem 50- und 100 Meter-Pfahl vor dem Herrenbade ist der Pflanzenwuchs so ein üppiger, daß weniger sichere Schwimmer diese Strecke überhaupt meiden. Mit Recht erregt es Verwunderung, daß bei den großen Einnahmen dieses Sommers nicht die geringen Mittel für die gründliche Beseitigung des Krautes vom Finanzdepartment zur Verfügung gestellt werden. Es sollte dieser Behörde doch besonders daran liegen, daß den Badenden ein einwandfreies Wasser zum Schwimmen geboten wird“, beschwerten sich „mehrere Badegäste“ in einem Leserbrief an die Lübeckischen Anzeigen im Jahr 1904. Der Lübecker Schwimmverein glaubte, dass die Wassertiefe eine Rolle spiele: „Auch in diesem Sommer wurden die Badenden durch das auf dem Boden des Krähenteiches wuchernden Kraut häufig belästigt, obwohl die Behörde den Übelstand durch Auskrauten des Teiches nach Möglichkeit einzuschränken suchte; es ist bedauerlich, daß der Teich, der durchschnittlich 2,30 Meter tief ist, nicht gleich bei Errichtung der Badeanstalt tiefer ausgebaggert worden ist; denn unter den Sprunggerüsten, in einer Tiefe von 4 Metern, scheint der Pflanzenwuchs nicht mehr aufzukommen“, heißt es im Bericht des Vereins aus dem Jahr 1904.
Und immer wieder gab es Probleme, Männlein und Weiblein zu trennen. Der Bademeister beklagte sich 1909 beim zuständigen Finanzdepartment: „Schon jetzt benutzen Jünglinge, vor allem Schlachtergesellen, dieses Pfahlgerüst dazu, sich darauf auszuruhen und sich auf dem Pfahlgerüst stehend den Damen und den Besuchern der Stadthalle zu zeigen. Ihre Geschlechtsteile sind dabei manchmal kaum bedeckt …“ Schon 1904 habe er sich beschwert, klagte er. Seither habe sich nichts geändert.
Auch die Lehrkräfte, die mit ihren Klassen ins Bad kamen, sorgten für Ärger. Sie lasen lieber, anstatt auf ihre Schützlinge achtzugeben. „In gegebener Veranlassung beschloss das Finanzdepartment die Oberschulbehörde zu ersuchen, diejenigen Lehrer, die die in den beiden Badeanstalten Krähenteich und Falkendamm im Klassenverbande badenden Schüler begleiten, anzuweisen, die Schüler beim Baden mit zu beaufsichtigen. Bisher ist dieses nur in einzelnen Fällen geschehen. Gewöhnlich setzen sich die Lehrer in die Wartehalle und beschäftigen sich mit Lesen.“ Ein Kind wäre fast ertrunken, heißt es weiter: „Als vor etwa 14 Tagen eine Klasse in der Badeanstalt Krähenteich badeten, schwammen einige Schüler aus dem Bassin hinaus. Ein Schüler versuchte, sich an dem vor der Badeanstalt schwimmenden Balken zu halten. Es gelang ihm aber nicht, den Balken zu erfassen … Dieser Vorfall wurde von dem Schwimmlehrer Groth beobachtet. Groth sprang sofort ins Boot und ruderte nach der Unfallstelle. Wäre nicht sofort Hülfe am Platze gewesen, so wäre der Junge sicher ertrunken.“
Gutes Personal war schon damals schwer zu kriegen. Die Bediensteten wechselten häufig. Der Ton unter den Bediensteten war mitunter offenbar rau, es kam zu Handgreiflichkeiten, wie eine kleine Affäre aus dem Jahr 1909 zeigt. Schwimmlehrer Roocks erschien im Oktober 1909 im Büro und beschwerte sich über seinen Kollegen, den Bademeister Mundt. Es sei abgemacht gewesen, Trinkgelder unter den Bediensteten zu teilen. „Der Bademeister Mundt hat nun aber sämtliche Trinkgelder, die er im Laufe der Saison bekommen hat, für sich behalten.“ Und nicht nur das: „Nach dem Schwimmfest schickte der Weinhändler Köhn jun. einen Korb mit Wein. Da Mundt keine Miene machte, uns etwas davon abzugeben, stellte ich ihn zur Rede … Mundt wurde sehr aufgeregt und hatte in der rechten Hand ein Messer. Als ich dies sah, sagte ich ihm, er wäre wert, daß er einen mit der Flasche an den Hals bekäme. In diesem Moment machte Mundt in größter Aufregung sein Messer auf und bedrohte mich damit, indem er Miene machte, den Arm erhebend, mich damit zu stechen. Groth, der hinter mir stand, wollte sofort nach einem Schutzmann telefonieren. Ich hinderte ihn aber daran und entfernte mich mit Groth, eiligst die Badeanstalt gänzlich verlassend. Wir hörten noch, wie Mundt zu dem Badewärter Wolff sagte: „Wolff ziehen Sie sich mal an, es kommt zum Duell.“
Die Beteiligten wurden der Reihe nach vernommen. Mundt stritt alles ab, behauptete, Roocks habe ihn bedroht, er habe sein Messer in Notwehr gezogen: „Ich sagte ihm, eine Flasche habe er bekommen, der übrige Wein sei für die Damen bestimmt. Roocks sagte darauf: ,Dann passiert heute Abend noch was.‘ Abends stellte Roocks, der sehr aufgeregt war, mich … zur Rede. Er sagte dabei, wenn ich den Korb nicht herausgebe, dann würde er mir mit der Flasche den Schädel einschlagen. Er ging dabei auf mich los, fuchtelte mit der Hand in der Luft umher und sagte, er wolle mir die Luft abdrücken und mich dann ins Wasser werfen.“
Weitere Zeugen wurden vernommen: „Was die Messeraffäre anlangt, so scheint der Bademeister Mundt nach der Aussage des Badewärters Wolff insofern im Recht gewesen zu sein, als er von dem Wein an die beiden Schwimmlehrer tatsächlich nur je eine Flasche abgeben sollte. Andererseits kann aber nie und nimmer geduldet werden, dass der Vorgesetzte der beiden Schwimmlehrer diese in einer Weise, wie er das getan hat, mit einem offenen Messer bedroht. Durch ein solches Verhalten des Bademeisters muss die Disziplin in der Badeanstalt erheblich leiden.“
Die Karriere des Bademeisters war Geschichte. Er und seine Frau mussten gehen.
„Wenngleich anerkannt werden muss, dass das Ehepaar Mundt sich im Dienst als brauchbar erwiesen hat, so darf doch auch nicht verschwiegen werden, dass Mundt sowohl als auch seine Frau von sich einen grossen Dünkel haben und ihr Charakter ein nicht besonders guter ist“, heißt im Abschlussbericht der Deputation 1909.
1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Die Akten über den Krähenteich werden dünn. Die Beliebtheit der Badeanstalt blieb ungebrochen. Immer mal wieder wurde Geld für die Instandhaltung bewilligt. Im März 1922 beschloss die Bürgerschaft mit einer Zweidrittelmehrheit den Ausbau der Badeanstalten Krähenteich und Marli. 141.000 Reichsmark wurden dafür veranschlagt. 90.000 sollten für das Nichtschwimmerbecken im Krähenteich ausgegeben werden. 1923 herrschte Inflation in Deutschland. Eine Eintrittskarte kostete 400 Mark, eine Dauerkarte 15.000 Mark, für die Aufbewahrung der Wäsche waren 3.000 Mark zu zahlen.
Im Mai 1925 beschloss die Bürgerschaft die „Instandsetzung der Flußbadeanstalten“.
25.000 Reichsmark wurden dafür bewilligt. 10.500 Reichsmark bekam die „Krähenteichbadeanstalt“. Im Nationalsozialismus gehörten Schwimmbäder zu den ersten öffentlichen Einrichtungen, die Juden und Jüdinnen den Zutritt verwehrten. Allerdings warben schon im Kaiserreich Badeorte an der Nord- und Ostseeküste damit, „judenfrei“ zu sein. Es ist anzunehmen, dass das im Krähenteich leider nicht anders war. In den Akten, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, war dazu nichts zu
Die Stadt wiegelt ihre Klagen ab
finden. 1942 trafen die ersten Bomben Lübeck. Über 300 Menschen in der Hansestadt starben. Mehr als 22.000 Gebäude wurden vernichtet - der Holzbau am Krähenteich blieb verschont. Anfang der 1950-er Jahre war der Bau marode und musste erneuert werden. 1953 entwarf der Baurat ein „Programm für den Neubau der Badeanstalt Krähenteich“. Er veranschlagte die Kosten auf 175.000 Mark. Da das Bad in der Bevölkerung noch immer sehr beliebt war, wurden „die Mittel für den Ausbau“ 1954 bewilligt: „Das Wasser- und Hafenbauamt möchte umgehend mit den Bauarbeiten beginnen.“ Bei den Bauarbeiten gab es immer mal wieder Ärger mit Nachbarn, die behaupten, in ihren Häusern würden sich durch die Bauarbeiten Risse bilden. Die Stadt wiegelte ab.
1954: Der Neubau beginnt
Nachbarn klagen über Risse in ihren Häusern
Es bleibt kein Stein auf dem anderen
Am 15. Mai 1955 wurde die „Badeanstalt Krähenteich“ zum zweiten Mal eröffnet. Die Polizeikapelle in Lübeck spielte, die Senatoren Ehrtmann und Merten sprachen. Um
Es wird …
11 Uhr wurde der Schlüssel an den Turn- und Sportbund e.V., der neuer Pächter des Bades wurde, übergeben. Es war, wie die Bilder im Stadtarchiv von den Bauarbeiten zeigen, kein Stein auf dem anderen geblieben. Es entstand die Badeanstalt, wie wir sie heute kennen.
Der Rohbau steht